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A-Die Errungenschaftsbeteiligung in der Türkei Die gesetzliche Gütergemeinschaft in der Türkei wurde ab dem 01.01.2002 geändert. Früher galt die Gütertrennung als die gesetzliche Gütergemeinschaft. Wurde die Ehe vor dem 01.01.2002 geschlossen, so gilt die Gütertrennung (mal ayrılığı) für die vor dem 01.01.2002 erworbenen Gegenstände fort. Für die Gegenstände bzw. Vermögen ab dem 01.01.2002 gilt die Errungenschaftsbeteiligung (Edinilmiş mallara katılma rejimi). Entscheidend ist also Kaufdatum bzw. Erwerbsdatum der Vermögensgegenstände. Beispiel: Im Jahre 1999 erwirbt der Ehemann ein Auto und ein Grundstück. Im Jahre 2003 kauft er ein Boot. Im Jahre 2005 lassen sich die Eheleute scheiden. Wie ist die güterrechtliche Auseinandersetzung durchzuführen? Da das Auto und das Grundstück vor dem 01.01.2002 gekauft wurden gilt hier die Gütertrennung. Diese Gegenstände werden also bei der Auseinandersetzung nicht berücksichtigt und gelten als Eigengut des Ehemannes. Für das Boot gilt dagegen die Errungenschaftsbeteiligung, da es nach dem 01.01.2002 erworben wurde. Vereinfacht kann gesagt werden, dass die Ehefrau die Hälfte des Vermögenszuwachses (das Boot als Vermögen) bekommt. Natürlich wird das Boot nicht geteilt sondern die Ehefrau kann hierfür eine Geldleistung verlangen. Sie bekommt also ein Wertersatz ohne Eigentümerin des Bootes zu sein. B-Was bedeutet die Errungenschaftsbeteiligung? (Edinilmiş mallara katılma rejimi) Das ab dem 01.01.2002 geltende türkische Ehegüterrecht hat weitgehend die schweizerische Errungenschaftsbeteiligung übernommen. Errungenschaft ist im Wesentlichen durch Arbeit erworbenes Vermögen (Art.219 türk. ZGB).
Beispiel zu1) Lohn, Gehalt, erarbeitetes Vermögen Beispiel zu2) Rente Beispiel zu3) Zahlungen wegen Arbeitsunfähigkeit, wobei dies nicht in voller Höhe sondern teilweise hinzugerechnet wird (z.B. die monatlichen Zahlungen bis zur Scheidung) Beispiel zu4) Mieteinnahmen aus der Vermietung des Hauses, auch wenn es zum Eigengut gehört; Zinserträge (auch aus dem Eigenvermögen) Beispiel zu5) Vermögenswerte die als Ersatz für die Errungenschaft erworben werden, z.B. ein Auto die in die Errungenschaft fällt wird verkauf (kaim değer = Surrogat). Der Erlös fällt unter Errungenschaft. Nicht zu verwechseln, wenn das Eigengut verkauft wird. Der Erlös aus dem Eigengut ist weiterhin Eigengut, auch wenn es gewinnbringend weiterveräußert wird.
Von der Errungenschaft muss das Eigengut differenziert werden. Denn das Eigengut fällt nicht unter Errungenschaft und wird bei einer Auseinandersetzung nicht als Vermögenszuwachs gesehen. Das Eigengut wird gesetzlich oder aber vertraglich (für Vermögensgegenstände, die aus der Ausübung einer gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit entstehen sowie für Erträge aus dem Eigengut kann vereinbart werden, dass diese nicht in die Errungenschaft fallen, vgl. Art 221 türk. ZGB) durch die Ehegatten bestimmt werden.
C-Die Auflösung der Errungenschaftsgemeinschaft Die Errungenschaftsbeteiligung kann mit dem Tod eines Ehegatten, mit der Vereinbarung eines anderen Güterstandes, mit der Scheidung oder Ungültigkeitserklärung der Ehe bzw. gerichtliche Anordnung der Gütertrennung (vgl. Art.206 türk. ZGB) beendet werden, wobei der Zeitpunkt der Klageerhebung maßgeblich ist, vgl. Art. 225 türk. ZGB. I- Rücknahme von Vermögenswerten und Regelung der Verbindlichkeiten 1- Bei der Liquidation nimmt zunächst jeder Ehegatte seine Vermögenswerte (hier kommt es zunächst nur auf die Eigentumsverhältnisse an. Ob es sich um Eigengut bzw. Errungenschaft handelt ist zunächst ohne Bedeutung) zurück, die sich im Besitz des anderen Ehegatten befindet, Art. 226 türk. ZGB. Handelt es sich um ein Miteigentum, kann gegen die Auszahlung einer Summe das Volleigentum übertragen werden. 2- Sodann werden (bzw. können) gegenseitigen Schulden (auch Ehegatten können untereinander Schulden machen) beglichen. 3- Als nächstes kann eine sog. Rückabwicklung für ehebedingte Beiträge (Zuwendungen) (Art.227 türk. ZGB) durchgeführt werden. Damit sind Fälle gemeint, wo der eine Ehegatte in Vermögenswerte (auch hier ist das Eigentum entscheidend. Ob es sich bei dem Vermögenswert um Eigengut oder Errungenschaft handelt spielt zunächst keine Rolle) des anderen Ehegatten Investitionen tätigt. Beispiel (vereinfacht dargestellt): Der Ehemann hat ein Haus im Wert von 100.000 EUR. Die Ehefrau lässt Reparaturmaßnahmen in Höhe von 10.000 EUR durchführen. Sie würde im Falle einer Auseinandersetzung somit (mindestens) diese Investition zurückbekommen (schuldrechtlicher Anspruch). Bei der Rückabwicklung der Zuwendungen spielen jedoch auch Wertsteigerungen eine Rolle, d.h. der investierende Ehegatte erhält mindestens seinen Einsatz zurück und wird an einer evtl. konjunkturellen Wertsteigerung entsprechend beteiligt. Beispiel wie oben: Das Haus ist nach der Renovierung 150.000 EUR wert. Da die Ehefrau ursprünglich 1/10 des Wertes des Hauses investiert hat (das Haus war 100.000 wert, investiert wurde 10.000 EUR) bekommt sie 1/10 vom jetzigen Wert des Hauses (somit 15.000 EUR) als Mehrwertanteil zurück. Wäre das Haus jetzt 75.000 EUR wert, würde sie dennoch mindestens die ursprünglich investierte 10.000 bekommen. Es findet somit keine Verlustbeteiligung statt (vgl. zum Ganzen Odenhahl, FamRZ 2003 648, 652 ff.). Voraussetzung für die Mehrwertbeteiligung ist jedoch, dass der Beitrag (Zuwendung) ohne Gegenleistung (bzw. die Gegenleistung ist unangemessen im Vergleich zum Beitrag) erfolgte. Im Einzelfall muss also die Gegenleistung untersucht werden. Schenkungen können nicht zurückgefordert werden.
Als ein Beitrag zum Erwerb eines Vermögensgegenstandes liegt z.B. vor, wenn der Ehegatte ein Hausfinanzierungsdarlehen tilgt bzw. übernimmt. Eine Verbesserung kann z.B. ein Umbau sein; die Erhaltung kann z.B. Reparaturen bzw. Unterhaltsarbeiten darstellen.
II- Berechnung der Anteile der Ehegatten Haben die Ehegatten ihre Vermögenswerte zurückgeholt, gegenseitige Verbindlichkeiten getilgt und ihre Beiträge als Mehrwertanteil zurückgefordert, so muss als nächstes die Trennung von Errungenschaft und Eigengut durchgeführt werden. Denn die bis jetzt durchgeführte Liquidation erfolgte lediglich aufgrund der Eigentumsverhältnisse ohne Rücksicht auf das Eigengut und die Errungenschaft der Vermögenswerte. Für die Trennung der Eigengut und Errungenschaft kommt es u.a. auf die Herkunft der Finanzierungsmittel an. Was Eigengut ist, ist in Art.220 türk. ZGB aufgezählt. Im Zweifel gilt, dass alle Vermögensgegenstände zur Errungenschaft gehören, Art. 222 türk. ZGB. Die Unterscheidung zwischen Eigengut und Errungenschaft ist von großer Bedeutung, weil sie den Umfang des Ausgleichs unter den Ehegatten bestimmt. Der Zeitpunkt ist die Beendigung des Güterstandes; bei Scheidung die Klageerhebung, beim Tod der Todeszeitpunkt, vgl. Art. 228 i.V.m 225 türk. ZGB. Was Eigengut ist kann auf Art. 220 türk. ZGB zurückgegriffen werden. Schenkungen unter den Ehegatten werden (wie bei Drittschenkung) als Eigengut angesehen. Weitere Eigengüter sind z.B. Eigentum des Ehegatten bei Beginn der Ehe, Schmerzensgeldbeiträge, Surrogate der Eigengüter. Ob Erträge aus den Eigengütern als Eigengut zu qualifizieren sind (z.B. Mieteinnahmen aus einem Haus, was der Ehegatte geerbt hat und somit Eigengut ist) beantwortet die Vorschrift des Art. 219 Nr.4 türk. ZGB. Nach dieser Regelung sind Erträge aus dem Eigengut als Errungenschaft zu qualifizieren.
Eine Eigengutregelung enthält auch Art. 228 Abs.II türk. ZGB.
Was sich so kompliziert anhört meint folgendes: Hat der Ehegatte von einer Sozialversicherung oder –hilfe ein Gesamtbetrag erhalten oder wurden ihm wegen Arbeitsunfähigkeit ein Betrag ausgezahlt, wird ein Teil dieses Betrages ihm als Eigengut zugerechnet. Für die Ermittlung der Höhe wird (hypothetisch) der Kapitalwert ermittelt indem man folgende Überlegung anstellt. Wie hoch wäre der Kapitalwert der Zahlung bei Beendigung des Güterstandes und für die Folgezeit, wenn statt eine ursprüngliche Gesamtzahlung eine lebenslange Rente gewährt worden wäre? Dieser Wert ist dann das Eigengut des Ehegatten. Auch Lebensversicherungen und Zahlungen aus Lebensversicherungen werden danach bewertet, aus welchen Vermögensmasse die Beiträge erbracht werden (Odendahl FamRZ 2003, 648, 653). Dabei muss im Einzelfall untersucht werden, ob die Auszahlung als Rente oder als Gesamtsumme ausgezahlt wird. Daraus können sich Unterschiede ergeben.
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